Seit dem 19. Jahrhundert ermöglicht das Familienalbum eine generationen- und raumübergreifende Erzählung der eigenen Familie. Zwar hatte man schon früher Stammbäume und Anekdoten aufgeschrieben und weitergegeben. Durch die Fotografie wird nun das Familienalbum zum Medium der Aufbewahrung und symbolischen Ordnung der Vergangenheit.
Seit Beginn des 20. Jahrhunderts wird das Fotografieren zunehmend erschwinglicher. Das Familienalbum dringt langsam vor in die weniger wohlhabenden Schichten. Erinnerungen werden ausgewählt, eingeklebt und mit einer Legende versehen: Geschichtsschreibung im privaten Raum. Die Familienalben zeugen seitdem von dem Versuch, Traditionen zu bilden, kulturelles Erbe weiterzugeben, Kontinuitäten und Linien zu schaffen.
Wir wollen Familienalben der letzten hundert Jahre in den Fokus nehmen und deren Erinnerungs- und Kommunikationsfunktionen unter verschiedenen Gesichtspunkten untersuchen. Gegenstand sind unterschiedliche Typen der Familienalben: Kinderalben, Reisealben, Kriegsalben zählen genauso dazu wie etwas Hochzeitsalben
Wie präsentieren sich Familien durch die Jahrzehnte? Welche Themen (Feiern, Reisen, sogen. „rites de passage“ u.a.m.) tauchen auf? Welche Narrationen werden erkennbar und wie werden sie aus bildlichen und schriftlichen Elementen erstellt? Wie stellt sich die Kompositionsvielfalt familiärer Bindungen dar? Welches Selbstverständnis kommt dabei zutage und wie verändert sich dieses? Welche sozialen und kulturellen Unterschiede werden bei der Präsentation der Familie durch die Jahrzehnte erkennbar?
Anhand von ausgewählten Beispielen, die sich im Archiv Deutsches Gedächtnis des Instituts für Geschichte und Biographie befinden, wollen wir gemeinsam eine Vorstellung von Alben als komplexe historische Quellen gewinnen und exemplarische Deutungen und Interpretationen wagen.